Bürgermeister-Wahl: Verwahrlost und aufgebläht – wie die CDU die Stadt Greifswald sieht | Nordkurier.de

2022-09-17 09:47:14 By : Ms. Kathy Lee

Mindestens drei Bewerber wird es geben, wenn am 12. Juni in Greifswald ein neuer Bürgermeister gewählt. Amtsinhaber Stefan Fassbinder (Grüne) will seinen Chefposten im Rathaus verteidigen. Die CDU hat mit dem Mann aber noch mehr als eine Rechnung offen, schickt mit Madeleine Tolani allerdings eine auch in der Kreisstadt eher Unbekannte Kandidatin ins Rennen.

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Weltgewandt, erfahren, bodenständig, modern, charmant und angriffslustig – so gibt sich die Frau, die das grüne Kapitel in der Chefetage des Greifswalder Rathauses beenden will. Denn vor sechseinhalb Jahren hatte der Historiker Fassbinder nach einer spannenden und denkbar knappen Mehrheit von nur wenigen Stimmen die jahrzehntelange CDU-Ära in der Hansestadt beendet. Erstmals seit der Wende 1990 mit den Oberbürgermeistern Reinhard Glöckner, Joachim von der Wense und Arthur König hatte ein Politiker ohne ein CDU-Parteibuch die Verwaltungsspitze der Stadt übernommen.

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Sieben Jahre Fassbinder seien genug, findet Madeleine Tolani (CDU), 41 Jahre alt und Professorin für Rechtswissenschaft. Die gebürtige Greifswalderin sitzt seit 2019 in der Bürgerschaft, wurde im Januar von der Stadt-CDU zur OB-Kandidatin gekürt und wirft dem aktuellen Amtsinhaber vor, sich auf Kosten ihrer Partei profiliert zu haben.

„Herr Fassbinder ruht sich auf den Erfolgen seiner Vorgänger auf und rühmt sich der guten Ergebnisse, die Greifswald in verschiedenen Ranking-Umfragen erreicht hat“, moniert Tolani. Eigene Initiativen des Amtsinhabers, die die Stadt voranbrächten, sehe sie dagegen kaum – im Gegenteil.

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Tolani, Tochter eines indischen Mediziners, die im Greifswalder Ostseeviertel ihre Kindheit erlebte, findet, dass sich in der oft als lebenswert gelobten Stadt immer mehr Schandflecken ausbreiten. Verdreckte Spielplätze, marode Straßen, stillgelegte Springbrunnen, verwahrloste Ecken und überall unschöne Grafitti-Schmiereien prägten das Bild, sagt sie. Auf der anderen Seite würden von der „aufgeblähten Stadtverwaltung, die sich sogar einen Moorreferenten leistet“, Gelder verschwendet.

Ein Beispiel dafür sei das neue angemietete Verwaltungsgebäude in der Rathenaustraße, für das rund 250. 000 Euro „zum Fenster herausgeworfen worden“ seien, das aber nicht genutzt werden könne, weil kein Internetanschluss bestehe. „Noch ein Beispiel: Am Bahnhof wurde für 435. 000 ein Fahrrad-Parkhaus mit 144 Stellplätzen errichtet, das aber kaum genutzt wird,“ kritisiert Tolani. Und in Greifswald-Eldena plane der grüne Oberbürgermeister einen Park&Ride-Punkt mit einem Autoparkplatz – ein „kopfloses Projekt“, das kein Mensch brauche, aber 1,8 Millionen Euro koste.

„Es fehlt immer an einer vernünftigen Bedarfsanalyse“, sagt die Kandidatin, die Jura studiert hat, im Jahre 2003 als Beste in Mecklenburg-Vorpommern ein Staatsexamen abgelegt hat, an der Golden Gate University in San Francisco noch einen Masterabschluss dazu packte und an den Universitäten in Passau, Freiburg und Regensburg sowie später als Richterin am Amtsgericht Stralsund tätig war.

Als erste Greifswalder Oberbürgermeisterin seit 1961 möchte die Dozentin der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie ihre Kompetenz einbringen, „um wirklich bedarfsgerechte Projekte auf den Weg zu bringen“. Wichtig sei ihr zum Beispiel, jungen Familien adäquaten Wohnraum von der Mietwohnung bis zum Eigenheim anzubieten. „Wir brauchen schnell entsprechende Bebauungspläne für jede Art von Wohnraum“, fordert sie.

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Obwohl sie gegen einen Amtsinhaber antreten will, der nicht nur von seiner eigenen Partei, sondern auch von der SPD und den Linken unterstützt wird, sieht sie gute Chancen, die Wahl im Juni zu gewinnen. „Die Bürger wollen den Wechsel“, ist sich Tolani sicher. Ihre Pläne will sie demnächst nicht nur auf einer eigenen Online-Plattform, sondern auch auf Kundgebungen, Treffen mit den städtischen Vereinen und geplanten Bürgerfrühstücks-Runden vorstellen.

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