Audi e-tron GT: Monsieur 800 Volt
Tesla-Chef Elon Musk hat für Elektroautos deutscher Hersteller meist nur ein müdes Lächeln übrig. Zwar haben Volkswagen, Daimler und BMW milliardenschwere Modelloffensiven für Akkufahrzeuge verkündet. Diese zeigen auch erste Ergebnisse, vor allem im SUV-Segment.
Audi e-tron GT: Monsieur 800 Volt
Doch ausgerechnet das Model S - die Limousine, mit der Musk den Mythos Tesla begründete - hat bis heute weit und breit keinen Gegner in ihrem Segment. Mehr als 300.000 Exemplare des Model S hat Tesla ohne Konkurrenz schon abgesetzt.
Als erster deutscher Hersteller hat nun Audi in Los Angeles einen Batterieboliden präsentiert, der dieses Monopol streitig machen soll - den e-tron GT. Von 2020 an greifen die Ingolstädter mit dem flachen 590-PS-Renner an.
So vielversprechend die Studie ist - sie zeigt erneut auf, dass die deutsche Industrie bei Elektroautos langsam unterwegs ist, vor allem bei klassischen Luxuslimousinen mit E-Antrieb. BMW will 2021 seine Coupé-Limousine i4 auf der Straße haben, Mercedes im selben Jahr ein EQ-Modell in der Größe der E-Klasse.
"Wenn die neuen Modelle bei den Kunden punkten, könnten die deutschen Hersteller die Rückstände bis etwa 2025 aufgeholt haben", sagt Branchenexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. Er sieht die Aufholjagd als Langstreckenrennen an - mit ungewissem Ausgang.
"Die deutschen Hersteller haben das Thema der E-Mobilität zu spät erkannt", sagt Bratzel. "Tesla ist ihnen um Jahre voraus. Damit haben sie bislang nicht nur Imagepunkte, sondern bereits auch Marktanteile verloren."
Niedrige Silhouette des Autos als Markenzeichen
Audis e-tron GT kommt für die Trendwende eine Schlüsselrolle zu, zielt der Wagen doch auf Teslas Herz. Der VW-Konzern spielt bei dem Auto die ganze Stärke in Entwicklung und Produktion aus: Mit Porsches Taycan teilt sich der e-tron GT die technische Basis, die sogenannte J-Plattform. Später soll der Wagen von einer modularen Architektur profitieren, die von Porsche, Audi, Bentley und Lamborghini genutzt wird. Sie passt für größere Limousinen, Sportwagen, SUVs und Crossover-Modelle.
Audi e-tron: Die Spannung steigt
Ein Model-S-Imitat sollte der e-tron GT aber auf keinen Fall werden. Für Audi-Designchef Marc Lichte war die niedrige Silhouette des Autos die größte Herausforderung. Während Entwickler ein elektrisches SUV wegen der Höhe einfacher mit dicken Batteriepaketen im Unterboden bestücken können, kämpften sie beim GT um jeden Millimeter.
Bei den äußeren Maßen zeigt sich, dass dieses Ringen erfolgreich war. In der Länge (4,94 Meter) ist der e-tron GT nur etwas kürzer als das Model S, mit 1,38 Meter Höhe aber spürbar flacher. Das lässt den Wagen samt den großen 22-Zoll-Rädern sehr satt auf dem Asphalt stehen.
Kräftig, anmaßend und etwas aggressiv sieht der Audi aus - doch das ist nicht die ganze Botschaft, die der Hersteller vermitteln möchte. Das zeigt sich etwa im Innenraum.
Wo es bei Audis Topmodellen einst nach Rindsleder duftete, hat die Nase nun nichts mehr zu erschnüffeln. Die Sitzbezüge sind aus Recyclingstoffen, die Bestandteile der Bodenmatten trieben einst im Meer als Fischnetze.
Batterie in 20 Minuten zu 80 Prozent gefüllt
Audi gibt sich umweltfreundlich, um die ökoaffine Tesla-Kundschaft anzusprechen - ein Ablenkungsmanöver? Gerade Elektroautos mit großen Batterien weisen eine schlechte Klimabilanz auf, solange Strom noch großteils aus Kohle gewonnen wird. Vor allem die Batterieherstellung verschlingt viel Energie.
Im e-tron GT steckt ein üppiges 90 Kilowattstunden-Akkupaket. So fragwürdig das aus Umweltsicht auch ist - Audi sieht in solch großen Batterien, wie sie auch Tesla verwendet, offenbar die Zukunft. Der Wagen ist wie der Porsche Taycan mit einer 800-Volt-Technik ausgestattet, wodurch sich das Laden radikal beschleunigt. An einer extraschnellen 350-kW-Gleichstrom-Ladesäule soll die Batterie des e-tron GT in weniger als 20 Minuten zu 80 Prozent gefüllt sein. Kein anderer Hersteller setzt auf diese Hochvolttechnik.
Superladesäulen als Pluspunkt gegenüber Tesla
"Dem Kunden muss man in dieser Klasse den Luxus der kurzen Ladezeiten bieten", sagt Peter Fintl, Experte beim Technologie-Beratungsunternehmen Altran. Er ist sicher, dass sich das System in der Elektrooberklasse durchsetzen wird - und der VW-Konzern zumindest damit früher dran ist als Tesla.
Der Vorsprung nützt Audi und Porsche zunächst wenig - weil es erst wenige Ladesäulen gibt, die die 800-Volt-Autos vollmachen können. Tesla hat zwar langsamere, aber mehr Ladesäulen. Unterm Strich seien die Amerikaner besser ausgerüstet, sagt Fintl. Ein Industriekonsortium, an dem VW beteiligt ist, kontert und baut Hochleistungs-Stromtankstellen an europäischen Autobahnen auf. Porsche will zusätzlich Superladesäulen bei Händlern platzieren.
Audi will bei Elektroautos wieder bodenständiger werden
Vollstrom statt Vollgas - das Prinzip gilt auch für den e-tron GT selbst. Das Allradauto fährt wie ein Supersportwagen und rauscht von null auf 100 km/h in 3,5 Sekunden. Bedingt durch den niedrigen Schwerpunkt wird der Wagen wohl geradezu nach Kurven gieren. Kosten dürfte er weit mehr als 90.000 Euro.
Audi attackiert Tesla also mit Pomp und Power, was nicht jedem gefallen wird. Die Ingolstädter wollen bei Elektroautos künftig aber wieder bodenständiger werden. Kommenden März wird das Unternehmen einen City-SUV präsentieren. Zudem wird es 2021 einen Q4 e-tron geben.
Wo aber bleibt der A2, die Ikone der Sparsamkeit, als elektrische Variante? Bereits 2011 stand eine solche Studie bei der IAA in Frankfurt - und verstaubt seitdem im Keller des Designzentrums.
Audi Designchef Marc Lichte erklärt die Linien des e-tron GT. Lichte sagt, es sei "das schönste Auto, das er jemals gezeichnet hat". Der beleuchtete e-tron-Schriftzug ist allerdings in der Serie nicht erlaubt.
Im Boden der Audi Sportlimousine stecken über 90 kWh an Energie. Sie soll für rund 400 Kilometer Reichweite sorgen. Eine große Herausforderung für die Entwickler war es, diese Kapazität in der Flachboden-Architektur unterzubringen.
Fürs Foto hat Audi den e-tron GT schon mal in Bewegung gesetzt. Versprochen werden 3,5 Sekunden für den Sprint von null auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 240 km/h. Der tiefe Schwerpunkt und die Allradlenkung versprechen beste Handlichkeit.
Die Architektur, die unter dem e-tron GT sitzt, wurde gemeinsam mit Porsche entwickelt. Sie nennt sich PPE (Premium Platform Electric). Auf ihr basiert auch der Taycan. Im Audi leisten die beiden Elektromotoren zusammen 590 PS.
In der Länge entspricht der e-tron GT mit 4,96 Metern etwa dem Audi A7, ist aber mit 1,38 Meter fünf Zentimeter flacher. Der Radstand beträgt 2,90 Meter. Die Studie steht auf 22-Zoll-Rädern, die Serienversion später wohl auch.
Wie der Porsche Taycan verfügt auch der Audi e-tron GT über ein 800-Volt-System. Vorteil: Es kann deutlich mehr Ladeleistung übertragen werden.
Die digitale Welt hat sich bei Audi bereits in Modellen wie A6, A7 und dem e-tron-SUV etabliert. Klar, dass auch der GT über die Instrumentenanzeige mit verdeckter Beleuchtung verfügt.
Vegan geht es im Interieur zu. Rinderhäute sind out, Recycling-Materialien in. Die Teppiche waren früher einmal Fischernetze. Trotz der Coupé-Form finden auch Erwachsene noch ausreichend Platz.
Mit seinem ersten Elektroauto will Audi möglichst viele Menschen ansprechen. Deshalb haben die Bayern eine populäre Form gewählt: ein großes SUV.
Der e-tron ist nach Jaguar iPace und Mercedes EQ C der dritte Tesla-Jäger der sogenannten Premiumhersteller. Er startet zum Jahreswechsel für einen Preis von etwa 80.000 Euro.
Bei 4,90 Metern Länge und knapp drei Metern Radstand bietet der e-Tron reichlich Raum auf allen Plätzen und fast 1800 Liter Kofferraum mit umgeklappter Rückbank.
Die Fahrleistungen liegen auf dem Niveau der Konkurrenz: Von 0 auf 100 in weniger als sechs Sekunden. Bei 200 Km/h wird elektronisch abgeriegelt.
Ein Entwickler erläutert bei Testfahrten den Antrieb: Vorne und hinten hat der e-tron je einen E-Motor mit zusammen 300 kW, dazwischen einen Akku von 95 kWh.
Das Cockpit erinnert mit seinen großen Displays an Q8 und Co., ist nur cooler beleuchtet.
Der markante Schaltknauf im e-tron hat etwas von einem Schubhebel im Raumschiff, der Mitteltunnel wird zu einer riesigen Ablage.
Statt Außenspiegeln hat der e-tron erstmals Kameras, deren Bild auf kleinen Displays angezeigt wird. Das ist gut für den Cw-Wert, also die Windschlüpfrigkeit, und damit die Reichweite.
Im Fond bietet der e-tron besonders viel Platz - auch, weil er keinen Mitteltunnel mehr für die Kardanwelle des Allradantriebs braucht.
Die Revolution bleibt insgesamt aber aus. Denn Audi will nicht nur die Avantgarde erobern, sondern möglichst viele Bestandskunden mit auf die Reise in die Elektro-Zukunft nehmen.
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