Preisabsprachen: Keine Gnade mit dem Aufzugs-Kartell

2022-09-17 09:49:46 By : Mr. Michael Ma

Richter zwingen die Kartellsünder mit hohen Strafen und harten Auflagen in die Knie. Das verbessert die Aussicht auf hohen Schadensersatz für die geschädigten Städte.

Wegen des Verdachts verbotener Preisabsprachen im Großhandel mit Pflanzenschutzmitteln hat das Bundeskartellamt am 3. März sieben Agrar-Großhändler in Deutschland durchsuchen lassen. Das bestätigte ein Sprecher der Wettbewerbsbehörde. Betroffen war nach eigenen Angaben unter anderem das Münchner Unternehmen BayWa. Beim Bundeskartellamt hieß es, die Behörde gehe dem Verdacht nach, dass es zu Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen bei der Kalkulation und der Festlegung von Großhandels- und Endverkaufspreisen gekommen sei. Die bundesweite Durchsuchung erfolgte zeitgleich an sieben Unternehmensstandorten und bei einem Verband. An der Aktion waren rund 45 Mitarbeiter von Bundeskartellamt und Polizei beteiligt.

Wegen unerlaubter Preisabsprachen hat das Bundeskartellamt Bußgelder in Millionenhöhe gegen 14 Hersteller von Betonpflastersteinen aus NRW und den angrenzenden Bundesländern verhängt. Die Wettbewerbshüter bezifferten die Bußgelder auf insgesamt 6,2 Millionen Euro. Ermittelt wurde auch gegen 17 Verantwortliche, wie die Behörde in Bonn am 11. September mitteilte. Als Teilnehmer von regelmäßig stattfindenden „Unternehmertreffen“ hätten die betroffenen Firmen über Jahre hinweg konkrete Größenordnungen von Preiserhöhungen untereinander vereinbart, hieß es. Unter den Teilnehmern der Treffen habe auch ein Grundverständnis darüber geherrscht, dass man sich gegenseitig keinen aggressiven Preiswettbewerb liefern wolle. Die Bußgelder sind teilweise noch nicht rechtskräftig.

Das Bundeskartellamt hat Büros von sechs Auto-Zulieferern durchsucht. Die Wettbewerbshüter gehen dem Verdacht nach, dass die Unternehmen im Bereich Kofferraumauskleidung zumindest seit 2002 Preise abgesprochen und Kunden unter sich aufgeteilt haben, teilte das Kartellamt am Mittwoch mit. Zu Razzien sei es am Dienstag in Firmenbüros in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern gekommen. Der Zulieferer Magna International Inc. erklärte bereits, die deutsche Niederlassung von Magna sei von den Razzien betroffen gewesen. Magna beabsichtige, mit dem Bundeskartellamt zusammenzuarbeiten.

Die britischen Kartellbehörden haben drei führende Kaufhausketten des Landes und die britische Niederlassung des US Modekonzerns DB Apparel ins Visier genommen. Wie das Office of Fair Trading mitteilt sollen Debenhams, John Lewis und House of Fraser mit DB Apparel zwischen 2008 und 2011 einen überhöhten Preis für Sport-BHs der Modellreihe 'Shock Absorber' vereinbart haben. Für die Büstenhalter machte Tennisprofi Anna Kurnikowa Werbung. Der freche Slogan der Kampagne: "Nur die Bälle sollen hüpfen." Die Rede ist von neun Fällen, in denen es zu Absprachen gekommen sein soll. Den Unternehmen drohen Strafen von über eine Milliarde Euro.

Mit einer Selbstanzeige wegen mutmaßlicher Kartellbildung beim U-Bahn-Bau in São Paulo hat Siemens Ermittlungen ausgelöst, die sich nun auch gegen den Konzern richten, das könnte dazu führen, dass das Unternehmen die Eignung für Geschäfte mit dem Bundesstaat São Paulo verliert. Über ein Dutzend Firmen soll an illegalen Preisabsprachen von 1998 bis 2007 beim Bau der U-Bahn und bei der Lieferung und Wartung von Zügen beteiligt gewesen sein. Siemens entdeckte Hinweise auf Kartellbildung und meldete sie CADE vor einigen Monaten. Zugleich traf das Unternehmen eine für solche Fälle vorgesehene Kronzeugenregelung, die für die Kooperation im Gegenzug eine Strafimmunität oder -minderung für Mitarbeiter vorsieht, sollte sich der Kartellverdacht bestätigen. Brasiliens Siemens-Chef Paulo Stark hatte im August versichert, dass der Konzern vollständig mit den Behörden kooperiere.

Im Streit um eine EU-Kartellstrafe haben Villeroy & Boch und andere deutsche Sanitärausstatter eine juristische Niederlage erlitten. Das EU-Gericht bestätigte am Montag die Geldbußen, die die EU-Kommission 2010 gegen die Firmen wegen verbotener Preisabsprachen verhängt hatte. Verbraucher zahlten deshalb jahrelang zu viel Geld für Badewannen, Duschkabinen und Wasserhähne. Villeroy & Boch bedeutet das mit 71,5 Millionen Euro die höchste Strafe. Die Richter bestätigten auch die Geldbußen für die deutschen Firmen Duravit, Hansa und Dornbracht. Die Klage von Hansgrohe wurde abgewiesen. Insgesamt hatte die EU-Kommission 2010 gegen 17 Firmen Geldstrafen von insgesamt 622 Millionen Euro verhängt.

Bereits im Jahr 2009 hat das Bundeskartellamt 19 Wurstfabriken durchsucht, um Beweise für illegale Preisabsprachen in der Branche zu finden. Jetzt sollen sich rund zwei Dutzend Wurstfabriken in Deutschland zu einem Kartell zusammengeschlossen haben, um höhere Preise abzusprechen. Den Beschuldigten drohen Strafen in dreistelliger Millionenhöhe, wie der "Spiegel" berichtet. Erste Gespräche habe das Kartellamt mit betroffenen Firmen bereits geführt. Die Branche sei beim Thema Preisabsprachen jahrelang "ziemlich sorglos" gewesen, heißt es in dem Bericht des "Spiegel".

Wolfgang Hinze staunte nicht schlecht, als Mitte Januar ein Anwaltsschreiben des Fahrstuhlherstellers Otis auf seinem Tisch lag. Der oberste Richter für Handelssachen am Landgericht (LG) Berlin behandelt einen schweren Fall von Wirtschaftskriminalität. Jahrelang hatten Hersteller die Preise für Aufzüge und Rolltreppen an Bahnhöfen abgesprochen, Geschäftsgebiete und Marktanteile untereinander aufgeteilt. Hinze sollte über die Höhe des Schadensersatzes urteilen. Doch das „Verhalten des Herrn Vorsitzenden“, so heißt es in dem Schreiben von Otis, gebe Anlass zur „Besorgnis der Befangenheit“. Richter Hinze, so der Vorwurf, habe sich auf die Seite der Kläger geschlagen. Daher die Forderung: „Der Herr Vorsitzende“ möge doch bitte vom Fall abgezogen werden.

Hinze dagegen meint, er habe nur seine Arbeit getan, um „Waffengleichheit“ herzustellen, wie er in seiner Erwiderung schreibt, die der WirtschaftsWoche vorliegt. Deswegen habe er im Sommer vergangenen Jahres Akten bei der Staatsanwaltschaft in Düsseldorf bestellt, die vor vielen Jahren Zeugen des Aufzugskartells befragt und Ermittlungen angestrengt hatte. Amtshilfe, nichts Ungewöhnliches. So sollten die geschädigten Städte und Nahverkehrsunternehmen erkennen können, in welchen Bahnhöfen überteuerte Rolltreppen und Fahrstühle eingebaut wurden. Für Otis ist das jedoch ein eindeutiger Beweis der Parteinahme.

Dass Otis das seit Jahren laufende Verfahren mit einem Befangenheitsantrag nun weiter in die Länge zieht, zeigt jedoch, wie verzweifelt die Unternehmen gegen die Übermacht der Gerichte inzwischen geworden sind. Seit Jahren setzen die Behörden bei Preisabsprachen und Marktmanipulationen nicht nur hohe Strafen gegen die Übeltäter fest. Sie ziehen auch bei der Ermittlung des Schadensersatzes die Daumenschrauben an. Immer dann, wenn die Unternehmen sich mit juristischen Kniffen aus der Affäre ziehen wollen, wird es für sie noch schlimmer.

Ein Beispiel dafür ist das Aufzugskartell, das von 1995 bis 2003 in Europa sein Unwesen trieb. Die Schuldfrage ist längst geklärt. Die Europäische Kommission hat die Hersteller Otis, ThyssenKrupp, Schindler und Kone bereits 2007 zu einer Strafe in Höhe von 831 Millionen Euro verdonnert, nachdem ein Tippgeber das Kartell 2003 auffliegen ließ. Nun fordern Städte wie Essen, Nürnberg, Dortmund, Bielefeld und Köln sowie die Deutsche Bahn, die Berliner Verkehrsbetriebe und die Hamburger Hochbahn Schadensersatz in Höhe von rund 90 Millionen Euro.

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