Fulda: Einblicke in den Beruf eines Lkw-Fahrers - Wohnzimmer mit 450 PS

2022-07-23 09:23:28 By : Mr. Tom Yang

Markus Schäfer passt in das Bild, das man von Truckern haben könnte: Der 54-Jährige trägt helle Jeans, hat kräftige Unterarme und kennt seinen Sattelzug auf den Millimeter genau. Er fährt vorsichtig – denn er weiß, dass sein Lkw richtig Kraft hat. Teil 8 unserer Serie „Berufen zum...“

Fulda - Markus Schäfer ist schon seit 5 Uhr auf den Beinen. Dank Zigarette, Kaffee und dem Radiosender seiner Wahl bei bester Laune. „Das ist doch einfach schön“, beschreibt er seinen Job, als am Morgen nach einer sternenklaren Nacht die Sonne aufgeht und die Frankfurter Skyline anleuchtet.

Der 54-jährige Fuldaer trägt ein Polo-Shirt mit Firmenlogo und eine helle, zeitlose Jeans. Er geht um den Sattelzug, ein Mercedes Actros, herum, prüft mit fachmännischem Blick Reifen, Lichter und Verkabelungen vor der Abfahrt. Er hat alles unter Kontrolle. Schäfer lehnt sich in seinen Fahrersitz, der eher einem Sessel gleicht, zurück und lässt zufrieden den Blick über die A5 gleiten. Er ist Kraftfahrer mit Leib und Seele.

Das ist auch dem Lkw anzusehen: In der Fahrerkabine wackeln zwei Würfel und die Bommel einer Gardine um die Wette. Im Fußraum liegen helle Matten in Leder-Optik. Und auch sonst gleicht alles eher einem Wohnzimmer: Das liegt vermutlich an gemütlichen 24 Grad aus der Heizung, der Fußmatte mit der Aufschrift „Home“ und den Bonbons, die neben einer Tasse in einer Schale im Cockpit liegen. Es riecht nach Zigarettenrauch, starkem Kaffee und Lufterfrischer.

Als der Motor startet, brummt der Sattelzug, der aus Zugmaschine und Auflieger besteht, sanft. Geschickt lenkt Schäfer seinen Actros aus der Einfahrt der Spedition in Künzell (Kreis Fulda).

Direkt nach der Abfahrt räumt Schäfer mit einem Vorurteil auf: Als Berufskraftfahrer ist man nicht nur unterwegs. Die Aufgaben, so erklärt er, sind vielfältig. Eine gewöhnliche Arbeitswoche beginnt für ihn montags in aller Frühe. Um 5.30 Uhr muss er beim ersten Kunden – Stabo Verbindungstechnik in Fulda – die ersten Vollgut-Kisten abholen – zuvor hat er bereits getankt, sein Fahrzeug kontrolliert, Kaffee gekocht und Spanngurte und Anti-Rutsch-Matten kontrolliert.

Wenig später rollt er auf den Hof der Stabo. Zum Beladen fährt er in wenigen Zügen an die Rampe heran. „Es gibt Kollegen, die brauchen dafür eine Viertelstunde“, sagt er stolz. Nach 37 Jahren im Beruf braucht er dafür höchstens anderthalb Minuten. An der Rampe wird dann verladen – eine Tätigkeit, die einen großen Teil des Jobs ausmacht. Der Gabelstapler fährt auf die Ladefläche, lädt ab, fährt raus, lädt auf, bis alle 26 Kisten voll mit Auto-Schrauben auf der Ladefläche stehen.

Schäfer verzurrt alles mit Spanngurten, legt Matten unter die Metallkisten und sagt schließlich zufrieden: „Das ist Ladungssicherheit in Perfektion.“ Manchmal muss er auch selbst beim Laden helfen. Er erzählt von kuriosen Lieferungen für eine Supermarktkette, die die transportierten Windeln von den Fahrern am liebsten noch etikettiert und ins Regal sortiert bekommen hätte. Je nach Ladung muss mit einer Ladezeit von bis zu mehreren Stunden gerechnet werden. Das ist dann zwar keine Fahrt-, aber trotzdem Arbeitszeit für Schäfer.

An diesem Tag geht es etwas schneller, 20 Minuten dauert der Ladevorgang. Dann geht die Fahrt los: erst nach Oberursel, dann nach Friedrichsdorf. Auf der A 66 Richtung Frankfurt schaltet Schäfer den Tempomaten auf knapp über 80 Kilometer pro Stunde, der Abstandhalter korrigiert, wenn die Distanz zum Lkw vor ihm weniger als 50 Meter beträgt.

An einem Hebel hinter dem Lenkrad, da, wo im Pkw der Scheibenwischer betätigt wird, wechselt Schäfer hin und wieder einen der zwölf Gänge – meist, um statt mit dem Pedal mit dem Motor zu bremsen. Das schone die Beläge. „Früher war nicht alles besser. Es gab weniger Verkehr, aber die Ausstattung war viel schlechter“, erklärt er mit Blick auf die technischen Hilfsmittel im Lkw.

Der 54-Jährige liebt seinen Job. Auf die Frage, ob er unter Einsamkeit leide, antwortet er ohne lange zu überlegen: „Einsam? Nein. Ich fahr halt gern. Es ist eigentlich gechillt.“ Wenn er sich unterhalten will, ruft er eben einen Kollegen an, mit dem er über die Freisprechanlage ein wenig plaudert. Schäfer weiß als „Brummi-Opa“ immer eine Antwort auf Fragen seiner Kollegen – weil er schon so lange im Geschäft ist. Deshalb klemmt auch ein Kennzeichen in der Frontscheibe seines Lkws, auf dem dieser Spitzname steht.

Der Berufskraftfahrer ist sich der Gefahren, die es auf der Straße gibt, bewusst. „Alle zwei Jahre platzt ein Reifen – Gott sei Dank noch nie vorn, das reißt dir den Lkw durch die Leitplanke.“ Einen einzigen Unfall hatte er im Laufe seiner Zeit im Beruf – mit einem Auto, in dem fünf Polizisten in Zivil saßen. „Ich glaube, die wollten mich rechts überholen.“ Passiert ist niemandem etwas.

In der Serie „Berufen zum ....“ stellen wir Berufe vor, die eher eine Berufung sind, und stellen den Alltag der Menschen vor, die sich berufen fühlen. Im ersten Teil der Serie ging es um den Beruf des Polizisten. Alina Komorek war nachts auf Streife mit zwei Beamten der Fuldaer Polizei. Im zweiten Teil der Serie begleitete Sophie Brosch einen Landwirt bei seiner Arbeit. Uwe Müller de Vries hat dabei unter anderem verraten, wie das Wetter seine Arbeit beeinflusst.

Der dritte Teil der Serie befasste sich mit dem Beruf des Profifußballers. Celina Lorei besuchte einen Tag Kenan Mujezinovic vom FSV Frankfurt. Im vierten Teil der Serie hat Noél Urner den Pfarrer Togar Pasaribu besucht. Außerdem erhielt Leon Weiser im fünften Teil der Serie Einblicke in die Arbeit von Richter Carsten Schütz, der verrät, dass ihn ein Fall lange begleitet hat. Im sechsten Teil der Serie erhielt Volontärin Alina Komorek Einblicke in die Arbeit einer Hebamme. Im siebten Teil der Serie berichtete Landschaftsgärtner Marcel Waber von seiner Arbeit.

Seit dem ersten Tag seiner Ausbildung, die er als 18-Jähriger am 1. August 1985 antrat, fährt er für die Fuldaer Spedition Dröder. Etwa 3,5 Millionen Kilometer hat er im Lkw in der Zeit zurückgelegt – etwa 100.000 Kilometer im Jahr, jeweils bei um die 80 Kilometer pro Stunde, mit Fahrzeugen, die mehr als 400 PS haben, etwa 16 Meter lang, 4 Meter hoch und 2,5 Meter breit sind. „Autos“ nennt er sie immer wieder.

Aber eigentlich findet er seinen Lkw viel besser als ein gewöhnliches Auto. Der Sitz sei bequem, das Fahren mit Tempomat entspannt, in der Fahrerkabine habe er alles, was er so braucht: einen reich bestückten Kühlschrank, seine Kaffeekanne, seine Kippen. „Ich habe meine Ruhe – was könnte besser sein?“

Nicht nur die Ruhe schätzt er an dem Beruf. Obwohl Schäfer die meiste Zeit unterwegs ist, meist innerhalb deutscher Grenzen, schätzt er den Zusammenhalt unter Kollegen, die fairen Bedingungen vom Arbeitgeber aus, die Möglichkeit, die meisten Nächte der Arbeitswoche daheim zu verbringen. Denn Schäfer hat Glück: Nach der langen Zeit im Job fährt er inzwischen höchstens Touren über zwei Tage. „Am Wochenende bin ich meistens zu Hause“, sagt er. Er wohnt mit seiner Frau und seinem Hund in Neuhof-Hattenhof. Die beiden Kinder sind schon aus dem Haus.

Wie er nach den langen Fahrten Ausgleich findet? „Ich gehe viel mit dem Hund raus. Bei jedem Wetter.“ Mit dem einjährigen Hund läuft er dann auch gern mal 20 Kilometer. Manchmal braucht er dabei eine kurze Pause, weil sein Knie kaputt ist – ob vom vielen Sitzen im Lkw oder vom jahrzehntelangen Fußballspielen sei nicht ganz klar.

Auf die Frage, ob der Beruf des Kraftfahrers eine Berufung ist, antwortet Schäfer: „Entweder man hat es im Blut oder eben nicht.“ Man müsse sich die Risiken, die Gefahr im Straßenverkehr, und die Bedingungen, viel zu ungewöhnlichen Zeiten unterwegs zu sein, bewusst machen. „Ich finde nichts schlecht an dem Job“, sagt der Berufskraftfahrer während der letzten Lenkpause auf einem Rastplatz vor Fulda und tritt seine Zigarette aus.