Durchaus für den Alltag geeignet: Volvo XC40 Recharge - etwas zappeliger Elektriker - n-tv.de

2022-07-12 08:49:24 By : Ms. Fina Chan

Für das kommende Modelljahr 2023 hat sich der XC40 Recharge noch etwas mehr herausgeputzt. Auch, um seine Eigenständigkeit noch deutlicher zu machen.

Der Volvo XC40 Recharge ist ein rein elektrisch fahrendes SUV, von dem man aber bitte keine sportlichen Exzesse erwarten darf. Dafür gibt es den C40 Recharge oder einen Polestar2. Dennoch wäre es schön, wenn der Schwede nicht ganz so zappelig ums Eck ginge.

Mit dem XC40 Recharge Pure Elecric Pro hat sich Volvo auf den Weg gemacht, seinen Anspruch als kommender E-Auto-Hersteller einzuläuten. Der noch auf der kompakten Modular-Plattform CMA stehende Schwede ist tatsächlich der erste elektrische Wurf, der gespickt ist mit den Genen, die von der Mutter Geely aus China kommen und die auch im sportlichen Ableger Polestar 2 oder im Volvo C40 Recharge zu finden sind. Dazu gehört neben dem Hochvolt-Lithium-Ionen-Akku mit einer nutzbaren Speicherkapazität von 67 kWh auch der Elektromotor mit 231 PS, der ein maximales Drehmoment von 330 Newtonmetern an die Vorderachse schmettert.

Eine Rennmaschine ist der Volvo XC40 Recharge nicht.

Und schmettert ist hier gar nicht so falsch, denn natürlich liegt das Drehmoment - wir haben keine Zugkraftunterbrechung durch Schaltvorgänge - sofort und umfänglich an den Vorderrädern an. Solange die Räder gerade stehen, ist das auch recht spaßig. Von der Poleposition an der Ampel schnippt der Recharge-Fahrer in 7,4 Sekunden auf Tempo 100 und kann bis zu 160 km/h schnell werden. Das Ende mag für den gechillten Autofahrer in Ordnung gehen, der Sportler wünscht sich vielleicht ein bisschen mehr.

Weniger hingegen wünscht der sich, dem beim spontanen Antritt die Vorderräder verziehen, nur, weil die nicht ganz gerade stehen. Hinzu kommt, dass sich der Schwede wegen seiner sehr weichen und offenen Lenkung nur über seltsames Schaukeln wieder in die Spur zwingen lässt. Ein Verhalten, das man von einem Polestar2 nicht gewohnt ist. Natürlich ist der auch auf Performance ausgelegt, aber etwas mehr davon täte auch dem XC40 Recharge gut.

Denn auch in schnell gefahrenen Kurven erweckt die Lenkung kein wirkliches Vertrauen, zumal die Physik natürlich an zwei Punkten des zwei Tonners wirkt: im Unterboden mit der 500 Kilogramm schweren Batterie und von oben mit dem in 1,65 Meter Höhe liegenden Dach. Hilfreich ist hier tatsächlich, dass im Vergleich zum Verbrenner die Bodenfreiheit des Elektrikers um 35 Millimeter auf 176 Millimeter reduziert wurde. Für ein wie von Volvo versprochenen "dynamischen Fahrerlebnis" reicht es dann aber doch nicht. Wie gesagt, die geschwindigkeitsabhängige elektronische Servolenkung ist einfach nicht direkt genug und liefert nur wenig Rückmeldung.

Etwas unterkühlt, aber in jedem Fall schick, ist das Innenleben des Volvo XC40 Recharge.

Doch wenn das auch alles nicht für die ambitionierte Sportfahrt ausgelegt sein mag, auf den normalen Wegen schlägt sich der XC40 Recharge ganz hervorragend. Das Fahrwerk ist ausgewogen, da gibt es keine bösen Überraschungen, was die Informationen über die Beschaffenheit der Straße betrifft, die Bremsen beißen im Bedarfsfall ordentlich zu und auch die Lenkung macht im Normalfall das, was man von ihr erwartet. Wenn es schneller wird, strafft sie sich; fährt man langsam, geht sie in den weichen Schongang über.

Der ist übrigens auch bei der Reichweite gefragt. Volvo verspricht nach WLTP 414 Kilometer maximal und im Stadtverkehr sogar 584 Kilometer. Der Test kann diese üppigen Angaben aber nicht bestätigen. Die von der Elektronik berechnete Reichweite bei einem zu 98 Prozent gefüllten Akku lag bei 340 Kilometern. Im Realbetrieb wurden daraus dann 290 Kilometer, bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 23,3 kWh. Volvo rechnet hier übrigens mit 19,1 kWh über 100 Kilometer.

Jetzt muss man aber der Fairness halber sagen, dass das während des gesamten Tests nicht als Strommangel wahrgenommen wurde. Der Recharge kann nämlich an der entsprechenden Ladestation mit bis zu 150 kW aufgeladen werden und hat nach knapp einer halben Stunde wieder volle Spannung. Und selbst an einer 50-kW-Station ist der Zeitrahmen mit 60 Minuten überschaubar. Wo man auf gar keinen Fall landen möchte, ist die Haushaltssteckdose, da braucht es nämlich 64 Stunden. Und selbst an der Wallbox mit 11 kW gehen für eine komplette Befüllung der Batterie sieben Stunden ins Land.

Die von Volvo angegebene Reichweite von über 400 Kilometern für den XC40 Recharge wurde im Test nicht erreicht.

Aber wie gesagt: Ist der Akku gefüllt und sind die Ladestopps von Google geplant, dann kann eigentlich auch getrost die Urlaubsreise angetreten werden. Immer vorausgesetzt, das Android-System friert nicht plötzlich ein, wie im Testverlauf zweimal geschehen. Dann geht nämlich für den Moment gar nichts mehr. Erst ein zehnminütiger Stopp, das Verlassen des Wagens und die Verriegelung halfen dem System wieder auf die Beine und dem Fahrer, seinen Weg und die Ladestation finden.

Ansonsten erfreut der Schwede, wie man es gewohnt ist, mit einer guten Verarbeitung, feinen Materialien und diesem unaufgeregten, immer etwas unterkühltem Design, das aber absolut funktional und dennoch schick ist. Das gilt auch für die serienmäßigen Sportsitze, die mit einem Material bezogen sind, das sich "Rivel Chine" nennt, zum Teil aus recycelten Materialien besteht und auch das Armaturenbrett, die Türinnenverkleidungen, die Seiten der Mittelkonsole, Bodenmatte, Gepäckraumabdeckung und den Dachhimmel verschönert.

In den Türen kann übrigens einiges verstaut werden, denn statt die Tieftöner der Harman/Kardon-Anlage dort zu verbauen, hat Volvo einfach einen Subwoofer unterhalb der Windschutzscheibe platziert, was klanglich keinerlei Nachteile hat. Ebenfalls keine Nachteile haben die Reisenden in der zweiten Reihe. Der Platz ist nicht üppig, aber durchaus gut bemessen und die 419 Liter Ladevolumen des Kofferraums, die sich auf 1295 Liter erweitern lassen, sind zusammen mit den 31 Litern unter der Fronthaube auch ausreichend. Zudem kann der Ladeboden auf Wunsch komplett herausgenommen oder gefaltet in verschiedene Positionen gebracht werden.

419 bis 1295 Liter Stauraum hält der Volvo XC40 Recharge im Gepäckabteil bereit.

Alles sehr clever, ähnlich wie die Assistenzsysteme, zu denen natürlich neben einem Abstandsradar auch ein Spurhalte- und ein Stauassistent gehören. Schade nur, dass die Verkehrszeichenerkennung nicht dazu ausreicht, die Geschwindigkeit automatisch an die Vorgaben anzupassen, das liegt weiterhin in der Verantwortung des Fahrers. Ansonsten kann man über die kleinen Helferlein, von denen es Volvo-typisch einige gibt, nicht schlechtreden. Sie lassen sich in der Regel über die Lenkradtasten oder das Zentraldisplay steuern und machen mit Sicherheit das, was sie sollen.

Ein Schnäppchen ist der Volvo XC40 Recharge Pure Electric Pro am Ende mit 54.390 Euro aber nicht. Zumal Sonderlackierung, 20-Zoll-Räder, abgedunkelte Seitenscheiben und die Ledernachbildung für die Sitze den Preis dann bis auf 57.140 Euro treiben können. Ja, hier geht noch die entsprechend gültige Umweltprämie ab, aber was, wenn die irgendwann nicht mehr gezahlt wird?

Fazit: Der Volvo XC40 Recharge Pure Electric Pro ist kein Auto für Sportfreunde. Nicht, was sein Fahrverhalten in dynamischen Situationen betrifft und auch nicht seine Endgeschwindigkeit von 160 km/h. Dafür ist das elektrische SUV aber in jedem Fall absolut alltagstauglich und kann mit der richtigen Planung auch für die längere Urlaubsreise genutzt werden. Leider hat der Premiumanspruch des Herstellers mit 57.000 Euro auch einen entsprechenden Preis zur Folge.