GPRA-Vertrauensindex : Die unbekannte Macht des Verbraucherschutzes

2022-09-17 09:49:44 By : Mr. Sam Zhou

Das Bundeskartellamt soll die Verbraucher vor Preisabsprachen und anderer Willkür von Herstellern und Handel schützen. Doch die Bürger wissen davon nichts.

Wegen des Verdachts verbotener Preisabsprachen im Großhandel mit Pflanzenschutzmitteln hat das Bundeskartellamt am 3. März sieben Agrar-Großhändler in Deutschland durchsuchen lassen. Das bestätigte ein Sprecher der Wettbewerbsbehörde. Betroffen war nach eigenen Angaben unter anderem das Münchner Unternehmen BayWa. Beim Bundeskartellamt hieß es, die Behörde gehe dem Verdacht nach, dass es zu Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen bei der Kalkulation und der Festlegung von Großhandels- und Endverkaufspreisen gekommen sei. Die bundesweite Durchsuchung erfolgte zeitgleich an sieben Unternehmensstandorten und bei einem Verband. An der Aktion waren rund 45 Mitarbeiter von Bundeskartellamt und Polizei beteiligt.

Wegen unerlaubter Preisabsprachen hat das Bundeskartellamt Bußgelder in Millionenhöhe gegen 14 Hersteller von Betonpflastersteinen aus NRW und den angrenzenden Bundesländern verhängt. Die Wettbewerbshüter bezifferten die Bußgelder auf insgesamt 6,2 Millionen Euro. Ermittelt wurde auch gegen 17 Verantwortliche, wie die Behörde in Bonn am 11. September mitteilte. Als Teilnehmer von regelmäßig stattfindenden „Unternehmertreffen“ hätten die betroffenen Firmen über Jahre hinweg konkrete Größenordnungen von Preiserhöhungen untereinander vereinbart, hieß es. Unter den Teilnehmern der Treffen habe auch ein Grundverständnis darüber geherrscht, dass man sich gegenseitig keinen aggressiven Preiswettbewerb liefern wolle. Die Bußgelder sind teilweise noch nicht rechtskräftig.

Das Bundeskartellamt hat Büros von sechs Auto-Zulieferern durchsucht. Die Wettbewerbshüter gehen dem Verdacht nach, dass die Unternehmen im Bereich Kofferraumauskleidung zumindest seit 2002 Preise abgesprochen und Kunden unter sich aufgeteilt haben, teilte das Kartellamt am Mittwoch mit. Zu Razzien sei es am Dienstag in Firmenbüros in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern gekommen. Der Zulieferer Magna International Inc. erklärte bereits, die deutsche Niederlassung von Magna sei von den Razzien betroffen gewesen. Magna beabsichtige, mit dem Bundeskartellamt zusammenzuarbeiten.

Die britischen Kartellbehörden haben drei führende Kaufhausketten des Landes und die britische Niederlassung des US Modekonzerns DB Apparel ins Visier genommen. Wie das Office of Fair Trading mitteilt sollen Debenhams, John Lewis und House of Fraser mit DB Apparel zwischen 2008 und 2011 einen überhöhten Preis für Sport-BHs der Modellreihe 'Shock Absorber' vereinbart haben. Für die Büstenhalter machte Tennisprofi Anna Kurnikowa Werbung. Der freche Slogan der Kampagne: "Nur die Bälle sollen hüpfen." Die Rede ist von neun Fällen, in denen es zu Absprachen gekommen sein soll. Den Unternehmen drohen Strafen von über eine Milliarde Euro.

Mit einer Selbstanzeige wegen mutmaßlicher Kartellbildung beim U-Bahn-Bau in São Paulo hat Siemens Ermittlungen ausgelöst, die sich nun auch gegen den Konzern richten, das könnte dazu führen, dass das Unternehmen die Eignung für Geschäfte mit dem Bundesstaat São Paulo verliert. Über ein Dutzend Firmen soll an illegalen Preisabsprachen von 1998 bis 2007 beim Bau der U-Bahn und bei der Lieferung und Wartung von Zügen beteiligt gewesen sein. Siemens entdeckte Hinweise auf Kartellbildung und meldete sie CADE vor einigen Monaten. Zugleich traf das Unternehmen eine für solche Fälle vorgesehene Kronzeugenregelung, die für die Kooperation im Gegenzug eine Strafimmunität oder -minderung für Mitarbeiter vorsieht, sollte sich der Kartellverdacht bestätigen. Brasiliens Siemens-Chef Paulo Stark hatte im August versichert, dass der Konzern vollständig mit den Behörden kooperiere.

Im Streit um eine EU-Kartellstrafe haben Villeroy & Boch und andere deutsche Sanitärausstatter eine juristische Niederlage erlitten. Das EU-Gericht bestätigte am Montag die Geldbußen, die die EU-Kommission 2010 gegen die Firmen wegen verbotener Preisabsprachen verhängt hatte. Verbraucher zahlten deshalb jahrelang zu viel Geld für Badewannen, Duschkabinen und Wasserhähne. Villeroy & Boch bedeutet das mit 71,5 Millionen Euro die höchste Strafe. Die Richter bestätigten auch die Geldbußen für die deutschen Firmen Duravit, Hansa und Dornbracht. Die Klage von Hansgrohe wurde abgewiesen. Insgesamt hatte die EU-Kommission 2010 gegen 17 Firmen Geldstrafen von insgesamt 622 Millionen Euro verhängt.

Bereits im Jahr 2009 hat das Bundeskartellamt 19 Wurstfabriken durchsucht, um Beweise für illegale Preisabsprachen in der Branche zu finden. Jetzt sollen sich rund zwei Dutzend Wurstfabriken in Deutschland zu einem Kartell zusammengeschlossen haben, um höhere Preise abzusprechen. Den Beschuldigten drohen Strafen in dreistelliger Millionenhöhe, wie der "Spiegel" berichtet. Erste Gespräche habe das Kartellamt mit betroffenen Firmen bereits geführt. Die Branche sei beim Thema Preisabsprachen jahrelang "ziemlich sorglos" gewesen, heißt es in dem Bericht des "Spiegel".

Es ist eine der mächtigsten Behörden in Deutschland, in wirtschaftspolitischer Sicht sogar Ermittler und Strafrichter in einer Institution – und doch sind Aufgaben und Rolle des Bundeskartellamts den Bürgern des Landes kaum bekannt. Und dass der Kampf gegen Preisabsprachen und Monopole vor allem den Interessen der Verbraucher dienen soll, ist ihnen schon gar nicht bewusst.

Der neue GPRA-Vertrauensindex April 2014 weist für das Bundeskartellamt schwache Werte aus. Nur 31 Prozent der Befragten fühlen sich über die Arbeit der Wettbewerbshüter gut oder sehr gut informiert, fast zwei Drittel (65 Prozent) glauben, sie wüssten wenig oder gar nichts über das Amt. Und als Verbraucher setzen sie auch nicht auf die Unterstützung der Bonner Beamten. 52 Prozent der 1000 repräsentativen Befragten misst deren Arbeit keine Bedeutung für den Verbraucherschutz bei, nur 40 Prozent sehen darin Vorteile (und fünf Prozent sogar Nachteile).

Jetzt die besten Jobs finden und per E-Mail benachrichtigt werden.

Verbraucher in Europa haben jahrelang zu viel für Briefumschläge gezahlt. Wegen unerlaubter Zusammenarbeit mit Konkurrenten müssen der Heilbronner Briefumschlag-Hersteller Mayer-Kuvert und vier weitere Firmen ein Bußgeld von insgesamt fast 19,5 Millionen Euro zahlen, entschied die Brüsseler EU-Kommission am 11. Dezember 2014. Auf Mayer-Kuvert entfallen dabei knapp 5 Millionen Euro. Ebenfalls an dem Kartell beteiligt waren die schwedische Firma Bong, der spanische Hersteller Tompla sowie GPV und Hamelin aus Frankreich. Mayer-Kuvert hat inzwischen GPV übernommen. Die Firmen haben sich nach Erkenntnissen der EU-Kommission von Oktober 2003 bis April 2008 abgesprochen - Hamelin stieß allerdings erst im November 2003 dazu. „Mehr als vier Jahre lang haben diese Umschlaghersteller, anstatt in fairen Wettbewerb zu treten, künstliche Preiserhöhungen in einer Reihe von Mitgliedsstaaten vereinbart“, so EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. „Das Kartell wurde von Top-Managern betrieben.“

Verbraucher in ganz Europa haben mehr als ein Jahr lang zu viel für Pilzkonserven bezahlt. Die Hersteller Bonduelle, Prochamp und Lutèce haben ab September 2010 Preise abgesprochen und den Markt untereinander aufgeteilt. Die EU-Kommission verhängte deshalb im Juni 2014 gegen die französische Firma Bonduelle eine Geldstrafe in Höhe von 30,2 Millionen Euro, auf Prochamp aus den Niederlanden entfallen zwei Millionen Euro - das Unternehmen profitiert von einer Minderung der Strafe um 30 Prozent, weil es mit der EU-Kommission kooperierte. Lutèce aus den Niederlanden kommt ungeschoren davon, da es die Wettbewerbshüter auf die unerlaubte Zusammenarbeit aufmerksam machte. Betroffen waren Pilze in Dosen und Gläsern, die als Eigenmarken des Handels verkauft wurden.

Das Kartellamt hat im April 2014 entschieden: 231,2 Millionen Euro Bußgeld müssen die Brauereien zahlen. Mitte Januar 2013 hatte das Bundeskartellamt bereits Bußgelder in Höhe von 106,5 Millionen Euro verhängt. Kartellamtspräsident Andreas Mundt sagt, es sei sehr unwahrscheinlich, dass sich Brauereien nach diesem Verfahren noch einmal in Absprachen wagen würden. Es geht um Vorgänge aus den Jahren 2006 bis 2008. Betroffen sind unter anderem Bitburger, Krombacher, Veltins und Warsteiner. Die Branche soll Preiserhöhungen für Fass- und Flaschenbier abgesprochen haben. Bei Flaschenbier sei dabei der Preis für einen Kasten Bier 2008 um einen Euro gestiegen. Das Kartellverfahren geht auf Informationen des Beck's-Herstellers Anheuser-Busch InBev Germany zurück, der als Kronzeuge ohne Geldbuße bleibt.

Mit dem neu verhängten Bußgeld addiert sich die Summe auf fast 340 Millionen Euro auf - eine der höchsten Strafe in der Geschichte des Kartellamtes. Die auf Ernährung spezialisierte Verbraucherschützerin Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg bezifferte den Schaden allein durch die Absprachen über das Flaschenbier in einem Jahr - grob geschätzt - auf über 400 Millionen Euro.

Die EU-Kommission hat im März 2014 gegen den Autozulieferer Schaeffler und mehrere andere Firmen wegen verbotener Preisabsprachen bei Kugellagern ein Bußgeld von insgesamt fast einer Milliarde Euro verhängt. Die höchste Strafe entfalle auf Schaeffler mit 370,5 Millionen Euro, teilten die Wettbewerbshüter mit. Der schwedische Konzern SKF müsse 315,1 Millionen Euro zahlen. Zudem seien mehrere japanische Firmen verdonnert worden. Das Kartell habe von 2004 bis 2011 Preise abgesprochen.

Heimwerker haben nach Ermittlungen des Bundeskartellamtes von Ende Februar 2014 jahrelang zu viel Geld für Tapeten bezahlt. Die Bonner Wettbewerbsbehörde verhängte gegen vier Hersteller und ihren Verband wegen unerlaubter Preisabsprachen Bußgelder in Höhe von 17 Millionen Euro. Zwischen 2005 und 2008 hätten die in Deutschland führenden Unternehmen zu Lasten ihrer Kunden auf Verbandstagungen Preiserhöhungen abgesprochen, erklärte Kartellamtspräsident Andreas Mundt.

Auf den Marktführer A.S. Création Tapeten AG entfällt allein eine Summe von 10,5 Millionen Euro. In einer Pflichtmitteilung an die Börse kündigte das Gummersbacher Unternehmen an, beim Oberlandesgericht in Düsseldorf Einspruch gegen den Bescheid des Kartellamtes einzulegen. Die Behörde habe die Argumente, die gegen kartellrechtliche Verstöße sprechen, nicht ausreichend gewürdigt. Außerdem sei die Höhe der Bußgelder unangemessen, hieß es zur Begründung.

Die Tapetenfabrik Rasch, die den Fall als Kronzeuge ins Rollen gebracht hatte, kam in den Genuss der Bonusregelung und damit ohne Geldbuße davon. Neben A.S. Création wurden auch gegen die Marburger Tapetenfabrik Schaefer, Erismann (Breisach), Pickhardt + Siebert (Gummersbach) und den Verband Deutscher Tapetenfabriken Geldbußen verhängt. In dem Fall sei eine Funktion dazu missbraucht worden, die Absprache der Hersteller aktiv zu unterstützen, betonte Mundt.

Preisabsprachen bei Haushalts- und Industriezucker

Das Bundeskartellamt hat im Februar 2014 gegen drei große deutsche Zuckerhersteller wegen verbotener Absprachen Bußgelder in Höhe von rund 280 Millionen Euro verhängt. Die Wettbewerbsbehörde wirft den Unternehmen Pfeifer & Langen, Südzucker und Nordzucker vor, sich über viele Jahre hinweg über Verkaufsgebiete, Quoten und Preise abgesprochen zu haben. Ziel sei es gewesen, möglichst hohe Preise für Haushalts- und Industriezucker zu erzielen. Teilweise sei es durch die Kartellrechtsverstöße nach Aussagen von Industriekunden zu erheblichen Preissteigerungen und sogar zu Versorgungsengpässen gekommen.

Wegen jahrelanger Preisabsprachen bei Gummiteilen muss der Autozulieferer Bridgestone eine Strafe von 425 Millionen Dollar (311 Millionen Euro) zahlen. Das Justizministerium geht seit einiger Zeit scharf gegen Kartelle in der Autozulieferbranche vor. Insgesamt 26 Firmen haben sich schuldig bekannt oder angekündigt, dies zu tun. Die Strafen summieren sich mittlerweile auf mehr als zwei Milliarden Dollar. Bridgestone trifft es nun besonders hart, weil das Unternehmen vor zweieinhalb Jahren schon einmal für Absprachen belangt wurde und damals mit 28 Millionen Dollar büßte. Bridgestone verdient sein Geld zwar weiterhin überwiegend mit Reifen, produziert jedoch unter anderem auch Fahrwerkskomponenten. Im Fall von Februar 2014 ging es um Gummiteile, die zur Schwingungsdämpfung im Auto eingesetzt werden. Die Absprachen zwischen verschiedenen Herstellern haben nach Erkenntnissen der US-Justiz von Anfang 2001 bis Ende 2008 gedauert. Zu den Geschädigten gehörten demnach unter anderem die Autobauer Toyota und Nissan. Sie haben auch Werke in den USA. Bridgestone kündigte an, dass die beteiligten Mitarbeiter zur Rechenschaft gezogen würden. Zugleich versicherte das Unternehmen, dass das Management nichts gewusst habe. Führungskräfte würden auf einen Teil ihres Gehalts verzichten, „um das aufrichtige Bedauern für diesen Vorfall zu unterstreichen“, wie Bridgestone erklärte.

Ermittelt hat dieses Profil der verkannten Machtbehörde der Demoskop Klaus-Peter Schöppner, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts mentefactum. Sein Kommentar: „Die Tatsache, dass 64% der Deutschen nicht genau wissen, was die Aufgaben des Kartellamts sind, und 52 Prozent der Deutschen der Arbeit des Kartellamts nur eine geringe Bedeutung beimessen zeigt, dass es hier an transparenter Arbeit und Kommunikation fehlt."

Während die Bürger meinen, dass die Preise im Lebensmittelhandel vor allem von den großen Herstellern und Handelsketten festgelegt werden, sehen sie bei den Strafen des Kartellamtes vor allem Mittelständler im Visier. Auch die Kronzeugenregelung, nach der Kartellbrüder mit milderen Strafen rechnen können, wenn sie mit der Wettbewerbsbehörde kooperieren, finden nicht die Zustimmung der Verbraucher. 91 Prozent lehnen diese Art der Kooperation ab. „Das ist eine klare Ohrfeige für die gängige Praxis des Kartellamts", sagt Meinungsforscher Schöppner.

Der Verband GPRA, der Zusammenschluss der führenden deutschen Agenturen für Public Relations, hat erstmals für seinen Vertrauensindex auch nach Institutionen des Verbraucherschutzes gefragt. Am besten schnitt dabei mit Abstand die Stiftung Warentest ab, gefolgt von den Verbraucherzentralen. Das Bundeskartellamt liegt im Mittelfeld. Die politischen Parteien genießen als Verbraucherschützer kaum Vertrauen. Nur 14 Prozent der Befragten glauben, dass die Interessen der Konsumenten bei ihnen gut aufgehoben sind.

Für Nachrichtenseiten wie WirtschaftsWoche Online sind Anzeigen eine wichtige Einnahmequelle. Mit den Werbeerlösen können wir die Arbeit unserer Redaktion bezahlen und Qualitätsartikel kostenfrei veröffentlichen. Leider verweigern Sie uns diese Einnahmen. Wenn Sie unser Angebot schätzen, schalten Sie bitte den Adblocker ab. Danke für Ihr Verständnis, Ihre Wiwo-Redaktion